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Leipziger-Buchmesse-2019 (3)

Aktuelles im März 2024

Die Insel, im Norden, im Sund, vor der Küste Dänemarks. Die flache Dünung, der Blick von oben, gemalt mit blauer Tusche, meditativ. Metallisches Klicken, Fahnen in leichter Brise. Innen und Außen – Nebel in der Bucht im Spätsommer. Wie gehen wir mit der inneren Unschärfe unserer äußeren Wahrnehmung um?

Lichtblaus Ich-Erzählerin signalisiert bereits zu Beginn ihre Unsicherheit, ihre Angst, versteckt hinter forschem Auftreten. Sie wartet auf ihre intime Geliebte. Sehnsucht mischt sich mit Vorwürfen. Ein Tupfen absurdes Theater im Setting durchzieht den Nebel. Von der nahegelegenen Insel „Lykke“ wehen in der Nacht Gespenstergesänge zum Festland herüber. Doch nicht das romantisch-mythische treibt die Erzählerin zur Reise auf die Insel, es sind Vermutungen, die im Verlauf ihrer Recherche zu unausweichlichen Fakten werden. Sie fürchtet diese Sirenenstimmen, doch der innere Zwang auf der Suche nach (historischer) Schuld überwindet die Furcht.

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Aktuelles im Februar 2024

Eine Ergänzung zur Besprechung der „Geschichte Japans“ von W. Schwentker (Dezember 2023) im Hinblick auf das traditionelle Japan bietet sich aus architektonischer Sicht mit „Ryokan“ an. Das von Schwentker als japanisches Leitmotiv einer insularen Spiegelwelt referierte Klammerprinzip von Innen (soto) und Außen (uchi) – Kitarō Nishida akzentuiert: kigami utsusu [鏡 写す] Spiegelübertragung) – bedeutete für das abgeschlossene Land nach der Reichseinigung unter Tokugawa eine rege Binnendynamik. Fahr-Becker zitiert Engelbert Kaempfer: „Die großen Fernstraßen dieses Landes sind jeden Tag von einer unglaublichen Anzahl Reisender bevölkert und zu bestimmten Zeiten fand ich hier mehr Menschen als in den Hauptstädten Europas.“ Der Tōkaidō als Hauptreiseweg von Edo nach Kyōto bot Quartiere nach Baukunst und Wohnkultur im Stil der Heian-Periode (794 – 1185). Noch heute üben diese architektonischen Kleinode einen unwiderstehlichen Reiz auf den Betrachter aus, erlauben sie doch einen Blick zurück in eine entfernte Vergangenheit, die für uns lebendig erhalten geblieben ist. Der reichhaltig bebilderte Band entführt den Leser in eine Welt, die ihm oftmals nur über Dokumentationen oder aus Filmproduktionen bekannt sein dürfte. Hier wird Wohnkultur als Gesamtkunstwerk vorgestellt, dem es mit vorsichtiger Zurückhaltung zu begegnen gilt.

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Aktuelles im Januar 2024

Umberto Ecos Welterfolg „Il nome della rosa“ ist als Mittelalter-Krimi mit semiotischer Spur auch ein (verborgenes) Glanzstück faschistischer und verschwörerischer Kulturanthropologie. Gleicht sein Brennglas in Händen von William von Baskerville im Streit um die Vita apostolica, dem Armutsgelöbnis der Kirche in Zeiten des Avignonesischen Papsttums, doch einer Skalierungsinstanz vom geringsten Mönchlein hin zu den Vasallen der Macht des Papstes jenen Grundbedingungen, die in der späteren Abstraktion fundamentaler Begriffe den theoretischen Rahmen eröffneten, dem beide Schriften sich widmen. Faschismus und Verschwörung lassen sich dabei als geistige Geschwister beschreiben, die einer extremen Form der Reduktion von Komplexität huldigen, um Weltgeschehen portionierbar sprich verstehbar zu halten. Sie bedienen sich antiintellektueller Werkzeuge, die an unsere stammesgeschichtlichen Instinkte appellieren.

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Aktuelles im Dezember 2023

Wie entstehen Reiche? Werden sie mit dem Schwert erschaffen oder benötigen wir zunächst eine orale Tradition, einen Schöpfungsmythos, der identitätsstiftend und integrativ über Generationen wirkt? Schwentker geht dem mit einem detaillierten Blick auf die Frühgeschichte der Besiedlung der japanischen Inseln nach. Er zeigt die Wanderungsbewegungen auf, verbunden mit unterschiedlichen Einflüssen, die durchaus nicht alle dem chinesischen Festland entstammen. Das hatte bereits der Historiker Tsuda Sōkichi mit seinem Diktum von Japan als autochthoner Zivilisation postuliert.

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Aktuelles im November 2023

Die Angst – und die Mühen des Umbruchs und Aufbruchs
Betrachten wir Maslows Bedürfnispyramide, stellen wir fest, die Sicherheitsbedürfnisse rangieren direkt oberhalb unserer physiologischen Grundbedürfnisse. Der Mensch sehnt sich nach einem Rahmen, der für ihn verlässlich erscheint, ihm den Eindruck vermittelt, auch in naher Zukunft noch seinen Gewohnheiten nach gehen zu können. Unsere Gesellschaften befinden sich allerdings in einer Phase des Übergangs, der Disruption und Transition. Gesellschaften als Edukationsressourcen brauchen Narrative, um Phasen der Ungewissheit und der Neuausrichtung zu bewältigen, damit ihre kreativen Fähigkeiten erhalten bleiben und für den Neustart genutzt werden können.

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Aktuelles im Oktober 2023

Topografie des öffentlichen Raums: Syntax und Tradition
Etwas oder Jemanden in Szene zu setzen erinnert uns zunächst durchaus zu Recht an eine Dramaturgie auf der Theaterbühne. Bei Proben werden wir Zeuge von minutiös einstudierten Rollen, Handlungsaufbau, der Choreografie und Interaktion der Schauspieler. Die Regie als unsichtbarer Leitfaden, der die Illusion eines spontanen Ablaufs und zufälligen Gefüges vermittelt, das gerade so auch unter uns in unserem persönlichen Lebenskreis stattfinden könnte. Wollten wir auf einen Klassiker blicken, so ist Shakespeare ein Dichter, der die große Kunst des Welttheaters (mit Wirkung bis ins Heute und Morgen) beherrscht. Doch auch in der Antike, der er ja viele Stücke als verklausulierte Emblemata (inscriptio, pictura, subsriptio) widmete, treffen wir auf Dichter, deren hic rhodus, hic salta dem Publikum eine Vorstellung davon geben konnte was gute von schlechter Politik unterschied oder auch mit dem Blick auf jeden Einzelnen, was er persönlich dem Gemeinwesen schuldet, über das er nur klagt. Aristophanes (bei den Griechen) oder Juvenal, Ennius oder Gaius Lucilius stehen dafür. Akteure wie Publikum (als Aktor) sind in einer Klammerfunktion eingeschlossen: es ist in Bezug auf die Gesellschaft immer beides, was wir betrachten müssen.

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