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Via Conci
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Leipziger-Buchmesse-2019 (3)

Benedikt & Franziskus

Der Vatikan zwischen Benedikt & Franziskus – Ein shakespearesches Königsdrama?

Der Mensch ist ein begabt spielerisches Wesen. Das Theatermachen liegt uns sozusagen im Blut. Von Kindesbeinen an bekommen wir Eindrücke über Rollen, Konflikte, Rituale, Sieger und Besiegte. Und wie wir mit ihnen umgehen. Gerade die leibhaftige Nähe zwingt uns oft, soziale Reaktionen und ästhetische Einschätzungen vornehmen, die an die Grundlagen der aristotelischen Poetik erinnern. Von Anteilnahme über Ablehnung und Ausgrenzung bis hin zur physischen Vernichtung des Gegenübers ist alles dabei. Je unerhörter der Tabubruch, desto genauer sehen und hören wir hin, desto erpichter sind wir auf dunkle Details: Welche Wunden sind beim Opfer zu besichtigen? Was für ein Werkzeug? Welche Hinterlist? Oft sogar noch: Mit welcher Perfidität und Perversion hat der Täter sein schamloses Werk vollbracht?

Das Theater begleitet den Menschen mithin schon sehr lange. So finden sich auch kultische Züge, die der Erscheinungsform (eines Stückes) ebenso dienlich sind wie dem sozialen Erlebnis einer Gruppe. Die liturgischen Gesänge, geistlichen Spiele zu Kirchenfesten werden von den Menschen aufgeführt und sind zugleich dem großen Zuschauer Gott dargeboten, der sein Wohlgefallen an den Darstellungen und damit den Menschen entfalten soll. Theater ist sohin auch ein gutes Stück Emanzipationsgeschichte: in frühen Zeiten gegenüber den Göttern und in späten gegenüber der (immer noch vermuteten) Heillosigkeit der Welt.

In seinem griechischen Ursprung diente das Drama der Selbstdarstellung der polis. Hier wurde in einem öffentlichen Raum auf ästhetische Weise die Selbstvergewisserung des Gemeinwesens durchgespielt. Die Kunst erlaubte der Gemeinschaft sowohl ein rauschhaftes Durchleben des Spiels als auch dessen Regulation. Brot und Spiele mit einem stark religiösen Impetus. Daraus erwuchs die Lehre von der Katharsis in der Poetik des Aristoteles. Der Zuschauer durchlebt individuell einen hoch emotionalisierten wie auch einen reinigenden Prozess, der den Einzelnen wieder ins praktische tägliche Geschehen des Gemeinwesens einbindet und so regulativ wirkt. Damit dient das Theater dem Ausleben aber auch der Reinigung der Affekte. Insbesondere die schwer kontrollierbaren Triebe mit negativer Dynamik konnten darüber in einem regulierten Raum ausgelebt und ohne politische Dynamik für die polis abgeführt werden.

  1. Erster Akt, 1. Szene: Der alternde Held des Dramas betritt die Bühne und versichert dem Publikum seine geistige Rüstigkeit, wenn auch die körperliche Kräfte schwinden, sie reichen allemal aus, den Kampf gegen die größte Bedrohung der Kirchen aufzunehmen, mit dem Beistand des Heiligen Geistes zu bestehen und über die Widersacher zu triumphieren. Benedikt XVI grüßt die Menge! Begleitet und geführt wird er von Georg Gänswein, seinem Haushaltsvorstand, der nach der Butter auf dem geistigen Brot ebenso schaut wie nach dem Glanz der roten Schuhe. Ein Papst ist schließlich ein Papst, ist…
  2. Zweite Szene: Die Zuschauer sind gerührt, schwanken zwischen Andacht und stürmischem Applaus. In ihnen spiegelt sich die gesamte Tragik des Heiligen Vaters em. Von der Welt nicht mehr gehört und doch in ihr verblieben, schenkt er ihr von seiner Weisheit ins Glas des Lebens. Und alle sind begierig, daraus zu trinken.
  3. Zweiter Akt, erste Szene: Der Antiheld erscheint auf der Bühne. Ein schwarz gewandeter Schwarzafrikaner im Kardinalsornat. Ein Anblick wie gemalt. Piekfein und eine Karriere wie aus dem Bilderbuch. So tritt er seit dem Pontifikat von Papst Franziskus als Lordsiegelbewahrer des katholischen Grals von Glaube, Lehre und Tradition auf. – Er wendet sich ans Publikum mit der unmissverständlichen Adresse: Die alte Liturgieform (versus absidem) möglichst wiederzubeleben, Homosexualität in der Kirche auszuschließen und meldet mit dem Buch „Des profondeurs de nos cœurs!“ den außerordentlichen Anspruch an, den Zölibat unangetastet zu lassen, mit verständnislosem Kopfschütteln und einem Plakat in der Hand, das er kopfüber in einen Papierkorb steckt. Titel: AmazonasSynode.
  4. Zweite Szene: Das Publikum ist hin- und hergerissen. Von wildem Applaus bis zu betretenem Schweigen geht der Riss quer durch die Gemeinde. Einige suchen im Blick himmelwärts nach Erkenntnis. Doch wie immer schweigt Gott.
  5. Dritter Akt, erste Szene: Papst Franziskus beim Angelus-Gebet. Er spricht zu den Gläubigen und bittet sie auf die Kirche und in Gott zu vertrauen. Ein jeder möge der Kirche auf ihrem bevorstehenden Weg behilflich sein und zur Seite stehen, damit alle teilhaben können am göttlichen Segen und den notwendigen Reformschritten, um auch bewährte Männer als Priester in ihren Reihen mit Freuden zu empfangen.
  6. Zweite Szene: die Leute jubeln „Papa, Papa!“ Nach dem Schließen des Fensters brechen sie in erbitterten Streit aus und beschimpfen sich gegenseitig. Die Reformer seien gottlose Häretiker, die Bewahrer papistische Höllenhunde, die die Fortschrittlichen nur an die Kette legen wollten.
  7. Vierter Akt, erste Szene: Das Buch erscheint! Ein französisches Werk. Die Presse steht Kopf: Benedikt XVI hat wieder ein Buch geschrieben, zusammen mit Robert Sarah – es muss eine Verkündigung sein. Schließlich geht es um den Zölibat! Das wichtigste Kirchengesetz. Es verhindert die Frauen am Altar, der Finger Gottes deutlich: der zeigt auf den Mann als Schöpfungswunder. Er ist Gott nahe, die Frau aus seiner Rippe, damit er nicht ganz so alleine ist. Doch nur er hat die Stellung zwischen Gott und den Menschen inne. Apostolische Sukzession!
  8. Zweite Szene: Benedikt, Papa emeritus, im weißen Habit, er wird gestützt von Erzbischof Gänswein, irrt in seinem Arbeitszimmer umher und spricht kaum hörbar immer wieder die Worte: „Ich war’s doch nicht!“ „Heiligkeit“, antwortet der Georg, wir müssen da was unternehmen. Ihr seid nicht verborgen vor der Welt, Ihr müsst die Kirche schützen, die Menschen guten Glaubens, uns! Da könnt Ihr Wunder wirken. Der Sarah ist draußen um Euch und seiner Seele willen. Benedikt bleibt stehen und sinniert: „Kardinal Razinger, das hätt‘ ich werden sollen. Ich hätt‘ meine Ruh gehabt und die Leut‘ weiter belehren können. Mit den 68er, da hat alles angefangen, ich sags Euch!“
  9. Fünfter Akt, erste Szene: Papst Franzikus gibt eine Audienz im Vatikan. Bei der Gelegenheit rehabilitiert er Ernesto Cardenal, einen der ganz Großen der lateinamerikanischen Befreiungstheologie. Die Medien überschlagen sich. EC! Unter JP II von allem Dienst suspendiert und jetzt das!
  10. Zweite Szene: Kardinal Sarah tritt ein. Er kniet vor Benedikt, küsst den Ring und wartet auf den Segen. Dann überfällt er Benedikt: „Heiliger Vater, was machen wir denn jetzt? Erst die AmazonasSynode und jetzt der Cardenal. Ausgerechnet der! Ihr müsst mit als Autor des Buches auf’s Cover, Ihr seid die Autorität in Theologie und Kirche. Wir müssen sie retten, die Kirche – und uns.“ Wieder kniet er vor Benedikt. Der ruft den Georg. Er hat genug. Sarah geht. „Was denkt dieser Papst sich nur, Georg? Rehabilitiert den EC. Was für eine Schmach, den habe ich mit JPII doch hochkant rausgeschmissen. Drecksack.“
  11. Sechster Akt, erste Szene: Ein aufgebrachter Priester ruft im Vatikan an. „Die Pachamama ist von einem Rechtskatholiken mit dem Ausruf der Häresie in den Tiber geworfen worden.“ Alles wuselt, Franziskus sieht das selbstgedrehte Video dazu. Er reagiert und gibt den Beschlüssen der Synode statt.
  12. Zweite Szene: Die Kurie tobt. Alles sei unternommen worden, um die Macht zu schützen. Der einfache Gläubige bestaune den Reichtum der Kirche, den Schmuck, die Gewänder, die Rituale, den Schein der Transzendenz, des Göttlichen bereits hier auf Erden, verkörpert durch uns Priester, zölibatäre Priester! Letztwahrheiten, Letztgewissheiten, der Segen vom Balkon, die Heilige Messe, das Seelenheil nur in der Kirche! Außerhalb der Kirche kein Heil. Oh heiliger Cyprian von Karthago. Oh heiliges Dogma! Oh du irregeleiteter Christ, doch du warst rechtschaffen im Glauben, die Götzenmutter zu versenken. Was nun? Was ist mit dem Selbstverständnis unseres Priesteramtes? Der herausgehobenen Stellung? Nicht zu nah bei den Menschen und schon so nah bei Gott! Unser Priestertum ist Dienst an Gott, den Menschen vorzuschreiben, damit sie lesen, staunen, glauben. Doch fällt der Zölibat, was bleibt? Fällt der Priester unter die „Gemeinen“, ist er nicht mehr exklusiv mit der Kirche verheiratet, dann fällt er unter die Räuber. – Dann fällt die Kirche!
  13. Siebter Akt – Schluss: Benedikt gibt eine öffentliche Audienz. Er lobt die Kirchengeschichte, die Heiligen, die Tradition und das Dogma, das nicht irre. Im Anschluss an JPII: „Nun hat Seine Heiligkeit entschieden, der Priester darf nur zölibatär leben. Er steht im Sakrament der Weihe. Und er erfüllt den Auftrag der Kirche. Ich exkommuniziere Papst Franziskus, weil er diesen Auftrag nicht länger erfüllt und gegen die Tradition, das Lehramt und das Dogma fehlt. Er ist ab jetzt kein Priester dieser Kirche mehr. Amen.“ Der Rest ist Schweigen!

IML, Januar 2020