2
frontpage-slide1
Via Conci
1
Leipziger-Buchmesse-2019 (3)

Theologie zwischen Erstarrung und Erneuerung

Theologie zwischen Erstarrung und Erneuerung – Warum die katholische Theologie sich grundsätzlich abmüht mit Reformbestrebungen

In Goethes Faust lesen wir: Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin und leider auch Theologie – durchaus studiert, mit heißem Bemühn.

Es war seit Anbeginn nicht einfach, sich dem Reformieren zu widmen, den ganzen Strauß an Subsidien zusammenzubinden und zusammenzuhalten: das kirchliche Lehramt, die Kirchenväter, die Tradition, die Offenbarungen, die Heiligen (ganze 140 davon thronen auf den Arkaden auf dem Petersplatz), die Heilige Schrift, die Weltkirche.

Der gemeine Mann (und selbst noch die Frau) machen sich davon kein Bild. Die katholische Kirche gilt als einzige Institution weltweit, die über 2000 Jahre besteht. Das ist für sich genommen sicher schon ein Wunder, mindestens können wir ihr ein enormes Beharrungsvermögen attestieren, besonders gegenüber den vielfältigen Angriffen, denen sie sich in all der Zeit ausgesetzt sah und neuerdings wieder sieht. – Diesmal könnte es jedoch ernst werden. Ernst, womit? Mit einer Reha-Kur.

Eine Reform an Haupt und Gliedern? So sehr wir das vielleicht alle wünschen, es wird sich schwierig gestalten. Selbstverständlich hat Papst Franziskus alle Kirchenangehörigen aufgerufen, mit ihm gemeinsam daran zu arbeiten, eine „verbeulte Kirche“, die gerade auch die Ausgeschlossenen hereinnimmt, zu gestalten, doch eine gute Metaphorik ist eben noch kein reformpolitischer Ansatz.

An der Uni Münster wurde im Mai 2019 eine Fachtagung „Die Lehrkompetenz der Bischofskonferenz. Dogmatische und kirchenrechtliche Perspektiven“ von der katholischen Fakultät ausgerichtet. In deren Zentrum stand die synodale Aufwertung in der Leitung der Gesamtkirche. Bereits dieser Ansatz, der von Franziskus Vorgängern Benedikt XVI und Johannes Paul II, restriktiv bis ablehnend behandelt wurde, könnte eine innerkirchliche Dynamik auslösen, die sich verselbständigt: Können die Bischofskonferenzen in wichtigen oder sogar wesentlichen Teilen der theologischen Diskussion mitbestimmen, dann führt das schnell zu einer Fragmentierung innerhalb der Gesamt- oder Weltkirche, da unterschiedliche Ansichten zu Fundamentalthemen keine einheitliche Lehrmeinung mehr ermöglichen oder sie zumindest sehr erschweren. Damit nicht genug: Die derzeitigen Protestbewegungen seitens der Basis (Beispiel: Maria 2.0) können einen Druck entfalten, denen nicht jeder Bischof widerstehen wird. Damit würde eintreten, was als Totalschaden unter Konservativen beschrieben wird: Die Kirche ist jeglichen Modernismen bewegungslos ausgeliefert, denn die Bewegungen (von innen wie außen) können sie mit ihrer Abkehr, ihrer Schmähung, ihrem Ausbluten erpressen. Das wäre eine „Reform“, die die Kirche selbst zu Grabe trüge.

Diese Gefahr hatte Rom immer im Blick, wenngleich es bislang eher darum ging, dass sich keine Nationalkirchen unter dem Dach Roms bilden sollten. Dennoch sieht der Rechtsrahmen für einen Diözesanbischof vor, dass er als Leiter seiner Ortsgemeinde vieles selbst entscheiden kann. Allerdings bleibt er eingebunden in das Bischofskollegium, aber auch vor Ort in seinen Priesterrat, die Beratung durch die Gemeindegremien. Der Bischof wirkt durch diese Gebundenheit ebenso in die mittlere Ebene der Bischofskonferenz hinein. In diesem Sinne spricht Franziskus von der „heilsamen Dezentralisierung“.

Auch die Kurie selbst soll in naher Zukunft eine fundamentale Reform erfahren. Im Entwurf für eine neue Apostolische Konstitution steht, dass die Kurie neben ihrer Unterstützung des Papstes demnächst den Teilkirchen und ihren Verbänden hilfreich zur Seite stehen soll – sofern diese das wünschen (sic!). Diese Vorgehensweise wird verständlich, bedenkt man die Erfahrungen Franziskus‘ aus Lateinamerika. Dort gibt es neben den nationalen Bischofskonferenzen auch einen Zusammenschluss der Bischofskonferenzen (CE-LAM). Die praktischen und pragmatischen Erfahrungen aus seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires haben ihn geprägt.

Franziskus gibt den Weg vor. Ein neues „Super-Ministerium“ könnte in der Kurie demnächst tonangebend werden: Die Fusion der bislang getrennten Ämter, bestehend aus der Kongregation für die Evangelisierung der Völker und der Päpstliche Rat zur Förderung der Neuevangelisierung, sollen zusammengeführt werden. So zu lesen in „Predicate Evangelium“. Diese Verschmelzung bedeutet eine Neugewichtung der Dikasterien innerhalb der Kurie. Der Schwerpunkt der Evangelisierung geht zu Lasten der Glaubenskongregation als bislang mächtigstem Amt. Diese Neuausrichtung bedeutet einen Machtverlaust für die „Bewahrer und Verwalter“ zugunsten der „Missionare“, die mit der Verkündigung der Lehre Jesu in die Welt gehen.

Darüber hinaus ist vorgesehen, sämtliche Kongregationen und Päpstlichen Räte als Dikasterien zu führen. Auch hier gilt, sie sollen die Ortskirchen weniger kontrollieren dafür mehr unterstützen. Hinzu kommt ein Dikasterium für die Caritas und die Päpstliche Kinderschutzkommission soll in die Kurie integriert werden.

Das gefällt nicht jedem: Ludwig Kardinal Müller, ehedem Leiter der Kongregation für die Glaubenslehre, dem Franziskus 2017 eine Verlängerung in dieser Funktion verweigerte, bemerkte zu der angestoßenen Entwicklung in einem Interview in der ‚Passauer Neue Presse‘ (06.05.2019), der Text sei geprägt von „theologischer Ahnungslosigkeit“, „kein schlüssiges Konzept von Ursprung, Wesen und Sendung der Kirche erkennbar“. Überhaupt sei diese Reorganisation ausgezeichnet von einer „Aneinanderreihung von 16 Ministerien, die irgendwie im Dienst des Papstes, der Einzelbischöfe und der Bischofskonferenzen stehen.“ Die Evangelisierung nun in den Vordergrund zu stellen, bedeute eine Abkehr davon, dass diese bislang als Auftrag der Weltkirche zu verstehen gewesen sei. Demgegenüber würde die Kongregation für die Glaubenslehre ihre positive Sonderstellung innerhalb der Kurie und in Bezug auf die anderen Ämtern verlieren. Fazit des Interviews: „Es handelt sich bei dieser Skizze für eine künftige Apostolische Konstitution um ein Konglomerat von subjektiven Einzelideen, frommen Wünschen, moralischen Appellen mit einzelnen Zitaten aus Konzilstexten und Verlautbarungen des derzeitigen Papstes.“

 

Die Tagung in Münster brachte es dabei auf den Punkt: Es geht in Zukunft kein Weg an einer synodalen Kirche mit gemeinsamen Beschlüssen für ganz Deutschland vorbei. Bischof Overbeck spitze es auf die Formel zu: „Die alte Zeit ist zu Ende“. Er gab dem Begriff des Synodalen eine erhebliche Erweiterung bei: Nicht (nur) die bischöflichen und Leitungszirkel der Kirche, sondern auch das ZDK, Vereine, Verbände, Orden, Geistliche Gemeinschaften und theologische Fakultäten sollten in dem neuen Gremium stimmberechtigt sein. Mittels einer doppelten Zwei-Drittel-Mehrheit könne Verbindlichkeit erzielt werden.

Hoffen wir, dass die kritischen Momente an Fahrt gewinnen.

IML. Mai 2019