Publikation des Bucerius Kunst Forums
Herausgegeben von Annette Haug und Andreas Hoffmann
Die neuen Bilder des Augustus
Macht und Medien im antiken Rom
Katalog zur Ausstellung im Hamburger Bucerius Forum – bis 15. Januar 2023
Hirmer Verlag, München 2022
Abbildungen in Farbe / sw
360 Seiten, Hardcover, 22,5 x 28,5, 49,90.- €
Pax Augusta – Saeculum Augusta
Das Hamburger Bucerius Forum zeigt eine prachtvolle Ausstellung zu Kaiser Augustus und seiner herrschaftlichen Inszenierung.
Einer der größten und weithin bekanntesten Bekenner der Republik befand sich nach den Iden des März im Jahr 44 v. Chr. auf der Flucht. Marcus Tullius Cicero, dessen so reichhaltiges wie kluges Werk uns erhalten ist, stand nach dem Mord an Julius Caesar neben anderen auf der Proskriptionsliste. Die öffentliche Ausschreibung der Person diente ihrer Liquidierung, mit oder ohne Belohnung, verbunden mit dem Verfall ihres Besitzstandes an den Staat. Am 7. Dezember 43 wurde Cicero getötet. Damit erlosch eine kritische Stimme, die noch kurz zuvor den Mord an Caesar als von mutigen Männern mit dem Verstand von Kindern beschrieben hatte.
Die Ausstellung lässt plastisch erfahren, wer die Köpfe jener Zeit waren, was sie miteinander verband und wie die Inszenierung von Macht programmatisch und strategisch zu einem Wesenszug der augusteischen Herrschaft werden konnte.
Kunst als Insignien der Macht
Die Kunst als emblematischer Ausdruck von Macht und Anspruch auf Deutungshoheit der Geschichte gab es in dieser Ausgestaltung ohne einen paradigmatischen Vorläufer in der römischen Geschichte. Es gibt jedoch einen anderen Anknüpfungspunkt, der zwar nicht als direktes Vorbild zu verstehen ist, wohl aber in der Ausgestaltung eine gedankliche Nähe zeugt: Perikles (nachzulesen bei Plutarch in den Doppelbiografien) und sein Bauprogramm der späten Jahre. Mit Geldern der attischen Seebundkasse füllte er ein Regierungsprogramm der Erneuerung und Innovation zugunsten der wirtschaftlichen Mittel- und Handwerkerklasse, um eine neue Blüte Athens entstehen zu lassen. Seine Kritiker ziehen ihn nicht nur politischer Überheblichkeit, sondern auch der Gigantomanie, jedem der Werke seinen persönlichen Namensstempel aufzudrücken. Die späte Hybris eines einsamen Strategen und Politikers, dessen bleibende Erinnerung uns noch heute beeindruckt.
Freilich liegen die Dinge im Falle Octavians anders. Annette Haug beschreibt in ihrer Einführung den Beginn der augusteischen Zeit am Ausgang der Republik als dramatischen Wendepunkt. Die Republik, verstrickt in Bürgerkriegen, im Verlust von Innovationskraft erstarrt, hatte ihren Zenit weit überschritten, erst mit der Alleinherrschaft, mithin dem Beginn der Kaiserzeit, entspannte sich die Lage. In der Ausstellung begegnet uns ein jugendlicher, doch reifer Herrscher mit Insignien und Brustpanzer und einem wissenden Ausdruck im Gesicht als kraftvolle Erscheinung. Reich verziert auf der Brust mit Motiven aus Götterwelt und Geschichte, mit Erdtönen zu weißem Untergrund und blauen Applikationen abgesetzt, gibt er mit dem zeigenden rechten Arm entschieden die Richtung vor. Der Kontrast zu Winkelmanns Klassik in schlichtem Weiß könnte nicht größer sein. Sie ist plastisch erlebbar, steht der Besucher vor den Standbildern, kann die Farbgestaltung einen lebhaften Kontrapunkt vermitteln. Der Katalog mit seinen großformatigen Darstellungen unterstreicht dies bereits zu Beginn. Der Unterschied des beschriebenen Standbilds ist nach dem Umschlagen der Seite von weiß zu farbig augenfällig. Die gelungene Kuratierung verdichtet sich im Katalog oft zu einer objektbezogenen Entgegensetzung, was dem Leser zu einem vielschichtigen Gesamteindruck verhilft. Verbunden wird dies mit sowohl historischen Einordnungen der augusteischen Zeit als auch mit kunsthistorischen Erklärungen, die in ihren Wirkungszusammenhängen sowohl im öffentlichen als auch im privaten Umfeld der Mittel- und Oberschicht verankert sind.
Verschiedene Porträtformen (Standporträt, Büste, Altare, Relief, Kapitel bis hin zu Schmuck als Kameen) füllen mit je eigener Intensität und Ausdruckskraft einen kommunikativen Methodenkoffer, der in seiner Zweckbestimmung sowohl flächendeckend über das Reich als auch regional bis lokal variiert werden konnte. Kopisten aus allen Teilen des Landes nahmen sich der vorgefertigten Formen unter genauer Vorgabe des Pontifex Maximus an und gestalteten diese nach. Freiere Durchführungen wurden zumeist bei kleinen Kunstformen zugelassen, hier konnten die Künstler dem Geschmack des Lokalkolorits nachgehen.
Das konzeptionell-pragmatische in der Umsetzung von Kunst als Insignien der Macht liegt in der durchdachten Gestaltung der einzelnen Form: „Das rundplastische Porträt stand dabei nicht für sich, sondern verband sich mit einem Statuenkörper und einer Statuenbasis mit Inschrift. Der Kaiser mochte als Bürger in der Toga, als Feldherr, Priester, Reiter oder gar im Habitus eines Gottes dargestellt werden (…). Die verschiedenen Statuenschemata waren für bestimmte Kontexte besonders geeignet: Reiterstatuen und Quadrigen etwa boten sich für eine Aufstellung auf einem Platz oder auf einem Ehrenbogen an, während sich Sitzstatuen, vor allem in Tempeln oder Basiliken, mithin in Innenräumen finden“, führt Annette Haug aus. Programmatisch drückt sich darin das uns vertraute Rollenkonzept aus: ein Mensch, verschiedene Anlässe, verschiedene Rollen. Gemeinsam artikulieren sie ein komplexes Wirkungsgefüge, vermittelten in diversen sozialen Kontexten den Eindruck von Omnipräsenz: auch hier regiert der Kaiser, nicht nur im fernen Rom. Haug: „Das Monument als Ganzes hatte dem Prinzip der Angemessenheit zu entsprechen. Auch nach ihrer Errichtung forderten kaiserliche Ehrenstatuten noch zur Auseinandersetzung auf: Sie wurden geweiht, verehrt, gewährten Asyl, mitunter wurden sie auch verunstaltet.“ Betrachten wir zeitgenössische Sozialkontexte, finden wir noch heute vergleichbares. Geschickt verborgen hinter der augusteischen Programmatik: die Republik als Kulisse und damit verbunden der Verlust an Partizipation ihrer Bürger. Ebenso geschickt: Das Bild des Kaisers als ästhetisches Phänomen. Symbole übernahmen eine semiotische Bedeutungsstiftung, schlicht Kunst als staatragendes und identitätsstiftendes Phänomen.
Einen besonderen Beitrag stiftete der Mythos als Narrativ der Begründung einer römischen Nation. Vergils Aeneas, an seinem Todestag unvollendet, der Vernichtung vorbestimmt, von Augustus gerettet und veröffentlicht, bot die erzählerische Folie, Rom bis nach Troja und zu deren Helden rückverfolgen zu können, es antizipierte sozusagen die spätere Herrschaft Roms über Griechenland. Die iulische Dynastie begründete sich aus der genealogischen Ableitung von Iulius, dem Sohn des Aeneas. Die Aeneas blieb fünf Jahrhunderte lang Zentralpunkt der historischen Quellen, darüber hinaus wurde sie kanonisch für das europäische Literaturverständnis. Auch diese kunstvolle Legitimation findet sich in den Ausstellungsstücken, etwa im Relief Aeneas mit der Sau von Lavinium. Hinzu kam: Die Aeneas begründete eine ganze Ära. Literatur und bildende Künste erlebten unter Augustus eine Blüte. Vergils Epos wurde Pflichtlektüre in den Schulen, die Bürger Roms nickten still, wenn Aeneas Königin Dido von Karthago bezirzte, und dem Leser das Gefühl römischer Überlegenheit einpflanzte. Kanonisch avancierte die Aeneas zur Trias mit Illias und Odyssee: der Weg zur Hellenisierung Roms gelegt.
Gleichwohl wurde die angesprochene Blüte auch von den Interessen des Bürgertums getragen. Ihre Nachfrage fachte den Markt der Kopisten an, forderte immer neue und variantenreichere Artefakte ein, zugleich wandelte sich das Stadtbild hin zu Erlebnisstätten, Wandelhallen, Bädern. Schließlich entstanden neue großformatige Votivformen als Stiftungen für die Heiligtümer. Das Apolloheiligtum in Pompeji bezeugt dies in besonderer Weise. Bildlichkeit, Bildfeldtradition und Deutungshorizont erweitern in dieser Zeit ihre Kontextualität. Wir erfahren ein Zusammenspiel aus kunstsinnigem (intellektuellem) Bürgersinn und politischer Programmatik, wobei letztere in der alltäglichen Wahrnehmung in den Hintergrund trat. Die politische Deutung der augusteischen Programmatik mag eher als Klammer zu verstehen sein, innerhalb derer die Bürger ihre persönlichen Vorlieben auslebten.
Die augusteische Zeit ist eine des kontinuierlichen Wandels in der Inszenierung seiner Herrschaft. Verschiedene Porträttypen, bis hin zur Kopfhaltung und Haartracht wurden stilisiert, um dem Stand der Herrschaft gerecht zu werden und den gewünschten Ausdruck zu verleihen. Boschung („Von Octavian zu Augustus. Das Image des Kaisers“) zeichnet das sehr genau nach. Er resümiert: „Schon die Schaffung des idealisierten Primaporta-Typus muss eine erhebliche Diskrepanz zwischen der Darstellung des Augustus in seinen Bildnissen und seiner tatsächlichen Erscheinung erzeugt haben und die Unterschiede wurden im Verlauf der Jahre noch offensichtlicher. In den folgenden vier Jahrzehnten bis zum Tod des Augustus sind keine neuen Bildnistypen entstanden, die altersbedingte Veränderungen einbezogen hätten. Wenngleich der Körper hinfällig wurde, bewahrte die Kunstfigur des Primaporta-Typus den idealen Zustand, der nach großen Mühen und langen Wirren erreicht worden war.“
Für sein Ableben hatte Augusts schriftliche Weisungen hinterlassen. Auch hier ist szenischer Charakter wahrscheinlich. Am 17. September 14 wurde Augustus konsekriert. Tiberius trat noch an diesem Tag seine Nachfolge an, das Prinzipat als neue Monarchie war damit gesichert.
Der exzellent zusammengestellte Katalog glänzt mit ausgezeichneten historischen, kunsthistorischen und archäologischen Beiträgen renommierter Fachleute, flüssig und eingängig formuliert, teils großformatigen Fotos oder Detaildarstellungen, die dem Auge des Betrachters in der Ausstellung selbst nicht selten entgehen. Mit ihren mehr als 200 Objekten, die aus dem Louvre, den Uffizien, den Kapitolinischen und Vatikanischen Museen sowie den Nationalmuseum Neapel in diese Schau eingebracht wurden, wird Augustus in seiner breiten Präsenz als Kommunikator mit dem Volk in vielen Facetten dargestellt. Der Katalog überzeugt insbesondere durch fundierte Analysen und kritische Beiträge, gesättigt mit einem großen Quellen- und Literaturverzeichnis. Eine Fundgrube römisch-antiker Staats- und Lebenskunst.
Ingo-Maria Langen, Oktober 2022