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Leipziger-Buchmesse-2019 (3)

Mitten im August

Luca Ventura
Mitten im August
Der Capri-Krimi

Diogenes Verlag Zürich 2020
323 Seiten, 16.- €

Spotligth

Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Diese Frage stellen sich Touristen und Ermittler oft gleichermaßen. Beginnen wir mit ersteren. Sie stehen staunend vor einer Kulisse, oft als Postkartenidylle beschrieben, die es aber genau so gibt. Verwundert reibt man sich die Augen: doch es stimmt. Wer dazu noch an Rudi Schurike denkt, geht vollends dem pittoresken Marketing auf den Leim. Doch Vorsicht: Ein gewisser Axel Munthe („Das Buch von San Michele“) liefert ein immer noch passendes Bild von Anacapri und seiner Villa dort. Der Blick vom Balkon mit dem Sphinx auf die Marina ist nach wie vor atemberaubend. Und doch attestierten die Kritiker Munthe ein Buch über den Tod geschrieben zu haben.

Um den Tod eines jungen Mannes dreht sich auch der erste Capri-Krimi von Luca Ventura. Ventura steigt ein mit guter Atmosphäre. Der nicht allzu scharf geschnittene Protagonist Agente Enrico Rizzi hilft bei seinen Eltern im Weinberg bevor er dann sein Tagewerk als Polizist beginnt. Es ist die scheinbar in sich selbst ruhende Insel mit ihren Bewohnern, die vor Schönheit strotzt, deren Straßennamen der Leser bedenkenlos folgen kann, ohne sich zu verlaufen, die Geschäfte und Bars sind vortrefflich zu finden und es lässt sich darin shoppen oder ausruhen, ganz nach Bedarf. Das Leben mäandriert über und durch diese Insel, die Beschaulichkeit ist Programm. Das ändert sich mit dem brutalen Tod eines jungen Mannes aus dem Norden. Als Praktikant der Meeresbiologie (gleich seiner Freundin) ans hiesige Forschungsinstitut gekommen, von hochfahrenden Ideen beseelt, zu waghalsigen Manövern bereit.

Enrico Rizzi, beobachtet und herausgefordert von Commissario Serra aus Neapel, halbherzig unterstützt von Ispettore Lombardi, dem Chef des Polizeiposten Capri, sowie von der degradierten und zwangsversetzten Kollegin Cirillo, die ein eigenes Geheimnis mit sich schleppt, nimmt die Ermittlungen auf, stößt schnell auf Ungereimtheiten, Widersprüche in Zeugenaussagen und arbeitet sich an der nur marginal kooperationsbereiten Bürokratie seiner Kollegen auf dem Festland ab. Seine Beharrlichkeit soll sich alsbald auszahlen. Ein handfestes Motiv schält sich bei einem der jüngeren Mitspieler heraus. Wollte hier ein Rivale seinen Konkurrenten beseitigen, um die Frau seines Herzens zu gewinnen? Es scheint alles darauf hinauszulaufen. Und es ist doch nur ein kunstvoll gesponnener Red Herring.

Ein schön komponierter Urlaubskrimi mit nettem Personal, das allerdings etwas hinter den Möglichkeiten der Figurengestaltung zurückbleibt. Ebenso das konventionelle Ende, das allzu erwartbar die Vorstellung des Lesers trifft. Dennoch: Der Protagonist ist so lebendig wie schrullig, so lustig wie verschmitzt, es lohnt allein um dieser Figur willen ein Ausflug nach Capri. Ein Debut mit Luft nach oben.

 Ingo-Maria Langen, September 2020