Hans Hoffmann
Ein europäischer Künstler der Renaissance
Begleitband zur Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum
Herausgegeben von Yasmin Doosry
- Mai bis 21. August 2022
Verlag des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 2022
235 Abbildungen in Farbe / sw
419 Seiten, Broschur, 24 x 30, 49.- €
Dem Germanischen Nationalmuseum gebührt das Verdienst die erste Werkausstellung zu Hans Hoffmann, einem bedeutenden zeitgenössischen Maler im Umfeld Dürers und Cranachs zur Zeit des Manierismus zu zeigen. Die Ausstellung selbst überschaubar, thematisch geordnet, der Katalog desto umfangreicher, ergänzend und vertiefend. Es lohnt der Blick über den Tag hinaus.
Die Beschäftigung mit Dürer führt früher oder später zu Hans Hoffmann, einem großen Kopisten seiner Werke, aber auch einer eigenständigen Malerpersönlichkeit, die ab 1576 in Nürnberg nachweisbar, sich schnell einen Namen als bedeutender Kopist Dürers machte, der gerne seine Werke mit dem Malerzeichen Dürers versah (Nachahmung und Urheberschaft trennte man zu dieser Zeit nicht immer eindeutig). Das geneigte Publikum war auch deshalb sehr an den Kopien des Meisters interessiert, da die Kunstfertigkeit Hoffmanns selbst Meisterniveau erreichte, seine Werke oft nicht vom Original zu unterscheiden waren. Das Meisterkönnen Hoffmanns beflügelte damit in seiner Rückwirkung wieder das Werk Dürers. Ähnliche Entwicklungen gibt es etwa beim Caravaggismus. Hoffmann war eng verbunden mit Willibald Imhoff, Nürnberger Patrizier, Kaufmann und Kunstmäzen, zu dessen Dürer-Sammlung er Zugang hatte. Den Verkauf dieser Sammlung an Rudolf II. nach Prag begleitete Hoffmann, in dessen Dienste er als Hofmaler trat.
Dürer oder Hoffmann?
Die Ausstellung macht es sich zur Aufgabe jenseits der werkgetreuen Kopien zu Dürer die autonomen Werke Hoffmanns herauszustellen. Dem Besucher werden Porträts und religiöse Bilder ebenso vorgestellt wie die Auseinandersetzung Hoffmans mit der zeitgenössischen italienischen Renaissance. In der Nobilitierung von Tier- und Naturdarstellungen bildet sich bei Hoffmann sein besonderes Verhältnis zu Kunst und Wissenschaft des 16. Jahrhunderts ab. Lebensechte Naturabgüsse, Tier- und Pflanzenformen zeigen die Bereitschaft naturgetreuer Abbildung, deren späte Ausprägung im Fotorealismus des 20. Jahrhunderts mündet. So verleiht Hoffmann dem berühmten „Feldhasen“ über eine Perspektivverschiebung samt Aufsicht nicht nur einen ungewohnten und neuen Ausdruck, sondern ein eigenständiges Profil. Vergleichbares findet sich beim „Liegenden Hund“: hier wechselt Hoffmann das Arbeitsmaterial.
Anderes deutete Hoffmann neu aus und versah es mit einer eigenen Variante: Dürers „Jesus unter den Schriftgelehrten“ etwa weicht von der Vorlage in Hinsicht auf den Hintergrund ab. Bei Hoffmann treten mehrere Gestalten auf, deren Charaktere, Mimiken und Gesten sowie die Hände in ihrem individuellen Ausdruck abweichen. Zum Vergleich hält der Katalog die Handstudien Dürers im Original vor. Unsere Hände als Explikatoren sind universell und ahistorisch, kulturübergreifend. Sie sagen viel über uns aus, können Situationen ergänzend beschreiben, weisen auf unsere psychologische Verfasstheit hin.
Dürers „Betende Hände“ wandelt Hoffmann mit einer ergänzenden Variante ab, die päpstliche Hände mit einem angestrengten Ausdruck im vis-a-vis zeigen. Die in tiefem Blau gehaltene Studie besticht jenseits der Farbtemperatur mit kräftiger Lebendigkeit: die Haut durchscheinende, prall gefüllte Venen liegen pulsierend auf. In Verbindung mit ihrer Plastizität sucht der Betrachter unbewusst nach den dazugehörigen Personen. Als Vorlage für die Papsthände diente Hoffmann Dürers „Rosenkranzfest“.
Die erhaltenen Fingerstudien des kleinen „Jesus vor den Schriftgelehrten im Tempel“ deuten in ihrer Erklärgestik die Gesamtsymbolik so aus, dass selbst Caravaggio sie später noch seinem Redegestus des Matthäusengels in San Liugi die Francesi anverwandelt. Vergleichbares findet sich bei Hoffmann in seinen Studien zu Michelangelos Moses.
Händestudien, ein beliebtes Motiv der italienischen Kunst des Seicento und ein ebenso wichtiger Topos am Hof Rudolf II, zeigte Hoffman mit seinen Ausdrucksmitteln auf der Höhe seiner Kunst sowie die Vielfältigkeit seines Œuvres in der mimetischen Darstellung von Natur und Umgebung.
Der Katalog bietet eine Fülle von Werkeindrücken, etwa die „Blauracke“. Hoffmann gelingt hier eine nahezu „fotorealistische“ Haptik: indem er die Federn nicht mit ganz feinem schwarzen, sondern weißen Strich ausführt, plastiziert er den Eindruck eines flauschigen Flügels, fast neigt der Betrachter dazu, ihn berühren zu wollen. Eine Handschrift, die ihn exemplarisch machte.
Ingo-Maria Langen, Juli 2022