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Via Conci
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Leipziger-Buchmesse-2019 (3)

Jahreszeit der Steine

„Mein Schlaf ist ein scheues Wesen. Er duckt sich weg. Versteckt sich vor mir.“ Erste Sätze sind eine Herausforderung. Sie müssen den Leser unmittelbar an sich binden, eine Spur legen, Interesse wecken. Schlafstörungen sind ein weites Feld und vielen ein vertrauter Begleiter, ein oft gehasster dazu. Hier wird eine geschickte Klammer vorbereitet: der Ich-Erzähler, Vater dreier Kinder, Malik, Fritzi und Alma, verheiratet mit Levje, beschließt darin einen gesamten Tag, der zwischen familiärem Leben, beruflichen Aufgaben und (Selbst)Reflexion pendelt. Die Klammer finalisiert mit der (unausgesprochenen) Intention, der Versöhnung mit den Geschehnissen des Tages an dessen Ende einen kleinen Raum zu geben, im Glauben an ein gutes Morgen.

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Das Erbe der Bilder

Der kürzlich verstorbene Autor, weltgewandter Vertreter seiner Profession als Kunsthistoriker (u.a. Wien, Harvard, Rom, New York), geht in der genannten Abhandlung der Frage nach, welche Funktionen Ort und Bild in der Sozialisation des Menschen einnehmen. Liefern sie, metaphorisch gesprochen, Augenblicke kürzerer oder längerer Schatten, in die wir eintauchen, uns mit jener Vertrautheit zu verbinden, deren späterer Verlust uns oft so schmerzt? Verluste erleiden und erdulden wir im Laufe der Zeit viele, ausgedrückt oft in Bildern, einem inneren Archiv, das verbrennt, stirbt ein Mensch.

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Gewittergäste

Eine (halb) unfreiwillige Einladung, eine Rundreise, ein geheimnisvoller Soldat, ein Gewitterunwetter mitsamt einem gefährlichen Unfall. Das Setting in Brandenburg auf der Route eines NATO-Manövers in Polen könnte nicht komplexer sein für die kleine Form einer Novelle. Von Petersdorf gelingt ein formschönes Kunststück: die Integration sechs scheinbar divergenter Stränge in einer hochverdichteten Erzählung multiperspektivischer Fokalisierung auf dem Weg zu einer späten Klimax. Aus dieser (ersten) formalen Sicht ist das bereits kompositorisch für den Leser höchst reizvoll.

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Taube und Wildente

Kreativität ist eine Sache für sich: Leerer Bogen, Idee im Kopf, Formulierungen fallen auf das Blatt, Begriffe beargwöhnen sich, drängen sich vor das Auge des Verfassers, vernebeln nicht selten die Zielsetzung. Ruprecht Dalandt, Inhaber eines kleinen Verlages, kämpft mit seinem Vorhaben, einen Dante-Essay zu schreiben. Nicht die einzige Herausforderung, der er sich stellen muss.

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Tomás Nevinson

Was zeichnet einen exzellenten Roman aus? Nicht selten gleich der erste Satz. Erste Sätze gelten als schwierig, manchmal uneinlösbar. Mit Scheitern verbunden. Gerade dieses tragische Scheitern macht sie dann zu großen ersten Sätzen. Marías gelingt die Kunst den ganzen Roman in diesem ersten Satz zu beschließen: „Ich wurde nach alter Schule erzogen und hätte nie gedacht, dass man mir eines Tages auftragen würde, eine Frau umzubringen.“

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Der Tyrann

Die Beschäftigung mit Shakespeare kann ein ganzes Leben füllen, es wäre ein ausgefülltes Leben. Stephen Greenblatt, Lehrstuhlinhaber in Harvard, führender Theoretiker des New Historicism, international geschätzter Shakespeare-Fachmann, legt mit diesem Titel eine Motiv- und Handlungsschau des Tyrannen vor, die Shakespeare nicht nur als profunden Dramatiker, sondern als ebensolchen Psychologen ausdeutet, der sowohl in Figur und Handlung als auch der kalkulierten Publikumsreaktion Finesse und Einfühlungsvermögen zeigt.

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