Der nächste ökumenische Kirchentag 2021 in Frankfurt/M hat weit im Vorfeld zu einer Kontroverse zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und dem Vatikan geführt. Grund ist die Wesensverschiedenheit im liturgischen Abendmahlverständnis und den damit verbundenen theologischen Auffassungen.
„Die christlichen Kirchen stimmen in der Gewissheit überein, dass die Selbstvergegenwärtigung Jesu Christi in der Gemeinschaft am Tisch des Herrn ihren dichtesten und tiefsten Ausdruck findet und dass sich die Begegnung mit ihm in der Feier von Abendmahl/Eucharistie in einer für irdische Verhältnisse unüberbietbaren Dichte vollzieht. Daher wird die Trennung am Tisch des Herrn als besonders tiefer Schmerz erfahren. Ihre Überwindung gehört zu den vordringlichen Zielen der ökumenischen Verständigung.“ (Gemeinsam am Tisch des Herrn: Ein Votum des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen, 5)[1]
Deshalb hätten viele Familien, die in konfessionsverbundenen Ehen leben kein Verständnis mehr für die pastorale Trennung, die ein gemeinsames Abendmahl verhindere. Das Ringen um gemeinsame Positionen ist indes altvertraut. Schon um die unüberbrückbaren Gegensätze in der Rechtfertigungslehre wurde lange gekämpft, bis 1999 ein gemeinsames Papier zwischen dem Lutherischen Weltbund, der römisch-katholischen Kirche und dem Weltrat der methodistischen Kirchen zustande kam. Wurden die theologischen Differenzen seinerzeit offen diskutiert, so bahnt sich nun eine Kontroverse hinter verschlossenen Türen an. Das Schreiben aus Rom, vom Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre, Kardinal Luis Ladaria, ist seitens der Deutschen Bischofskonferenz nicht öffentlich gemacht worden. Man befinde sich in einem Klärungsprozess, ließ die DBK dazu verlauten. Aus dieser Verschwiegenheitsattitüde könnte der Betrachter den Schluss ziehen, dass die theologische Gegenposition zum umstrittenen Arbeitskreis-Papier der DBK argumentativ stärker ist, als dies von den deutschen Bischöfen vielleicht gewünscht ist.
So lautet ein Einwand Ladarias: die Antizipierung der Mahlgemeinschaft ohne dass diese sowohl formal noch inhaltlich bereits erreicht sei, stärke die römisch-katholische Position.[2] Das ist ein berechtigter Einwand, der gerade im Kirchenvolk kaum bewusst sein dürfte, steht da doch die gegenläufige Praxis im Vordergrund des Interesses. In der Konsequenz weist Ladaria darauf hin, dass gerade die lutherische Seite einer Vereinnahmung der römisch-katholischen für diesen Fall ausgesetzt sei, da nützt auch die Freiheit der Einzelentscheidung nichts. Mit dieser Entscheidung unterwirft man sich dem lehramtlichen römisch-katholischen Paradigma von der Mahlgemeinschaft. Denn ein pauschaler Fiduzialglaube ersetzt die aktive Teilnahme an der Eucharistie nicht, insbesondere in Hinsicht auf das Hochgebet. Denn die Bekenntnisformel am Schluss bezieht ausdrücklich den Papst, den Ortsbischof, die Verstorbenen sowie die Heiligen mit ein. Christian Geyer zitiert Ladaria in der FAZ (07.10.2020 N 3), der die nichtöffentlichen Einwände Ladarias schriftlich vorliegen, mit der Schlussfolgerung: „Zu einer solchen professio fidei kann derzeit kein lutherischer, noch weniger ein reformierter Christ seine Zustimmung geben, ohne in einen Gewissenskonflikt zu geraten.“
Es nimmt eigentümlich aus, den Präfekten der römischen Kongregation für die Glaubenslehre als Anwalt der lutherischen Seite wahrzunehmen. Hinsichtlich der Realpräsenz Christi in der Eucharistie unterbiete das Arbeitspapier sogar den bislang erarbeiteten ökumenischen Stand der wahren und substanziellen Präsenz aus lutherischer Sicht. Geyer fragt süffisant: „Kann es sein, dass die internationale Ökumene theologisch weiter ist als ökumenische Arbeitskreise im Ursprungsland der Reformation? Jedenfalls scheint Ladarias Sorge nachvollziehbar, die katholisch-lutherisch-orthodoxen Gemeinsamkeiten nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen, indem man katholischerseits das Bekenntnis zur Realpräsenz anders arrangiert. Wann öffnet Bätzing diese hoch differenzierte und folgenreiche Debatte für die Öffentlichkeit?“
Das ist die eine Sicht der Dinge zum Beginn des Monats des Erntedankfestes. Die andere stellt Reinhard Bingener in der FAZ (08.10.2020 S. 8) vor: „Der Streit um das Abendmahl – Warum der Vatikan ein ökumenisches Papier aus Deutschland missbilligt“. Rom werfe dem Papier aus Deutschland vor Christentum und Kirche auseinander zu dividieren, wenn es behaupte, „dass es der Kirche nicht zukommt, Zulassungskriterien festzulegen.“ Gleichwohl weist das Papier dies aus, man muss: getauft, leiblich anwesend sein, den Sinn der sakramentalen Handlung verstehen und die Leitung des Abendmahls obliegt einem ordinierten Priester. Bingener: „Das religiöse Problem liegt darin, dass die christliche Offenbarung unhintergehbar geschichtlich ist und Dogmatik und Lehramt sich daher mit den Ergebnissen von Exegese und Kirchengeschichte konfrontieren lassen müssen. Am Beispiel des Abendmahls lässt sich das veranschaulichen: Die Feier der Eucharistie wird bestimmt durch kirchenrechtliche und dogmatische Sätze. Aber solche Normen existieren nicht losgelöst von kirchlichen Traditionen und schon gar nicht losgelöst von den Mahlfeiern Jesu, wie sie im Neuen Testament beschrieben sind.“ Diese Feiern sind solche der Inklusion („Zöllner und Sünder“ Mt. 9,11). Das letzte Abendmahl wird so zu einer Vorausweisung auf das zukünftige Reich Gottes. Das thematisiert das inkriminierte Papier ausdrücklich. Die Kritik aus Rom schert sich darum nicht. Soweit nun das Papier des ÖAK eine amtstheologische Übereinstimmung beider Konfessionen postuliert, hält Rom mit aller Vehemenz dagegen. Eine argumentative (geschwisterlich interessierte) Abwägung erfolgt hier nicht. Bingener schließt: „Die offene Frage dabei lautet, welches Gewicht exegetischen und kirchenhistorischen Befunden zukommt. Die andere Frage ist, welche Bedeutung pastoralen Erwägungen der einzelnen Gläubigen und vor allem dem Gewissen der einzelnen Gläubigen zuzumessen ist. Die Glaubenskongregation scheint ihre Antwort bereits gefunden zu haben: zweimal null.“ Es ist das alte Spiel: Rom bestimmt den Weg und das Ziel.
Ingo-Maria Langen, November 2020
[1] https://www.uni-muenster.de/imperia/md/content/fb2/zentraleseiten/aktuelles/gemeinsam_am_tisch_des_herrn._ein_votum_des___kumenischen_arbeitskreises_evangelischer_und_katholischer_theologen.pdf
[2] https://www.domradio.de/themen/%C3%B6kumene/2020-10-06/gemeinsam-am-tisch-des-herrn-kirchen-wollen-weiter-ueber-mahlgemeinschaft-sprechen